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Vor den Taliban geflüchtet: Afghanische Soldaten in Tadschikistan
Foto: imago images/ITAR-TASSVor den Taliban geflüchtet: Afghanische Soldaten in Tadschikistan

Afghanistan

„Millionen ungelöster Probleme“

Die Taliban erobern die Mehrheit aller Bezirke – China drängt ins Machtvakuum

Manuela Rosenthal-Kappi
26.07.2021

Nach dem Abzug der US- und ihrer verbündeten NATO-Truppen aus Afghanistan ist die geopolitische Lage in Zentralasien in Schieflage geraten. In Afghanistan haben die Taliban zwei Drittel der Bezirke ohne große Gegenwehr der afghanischen Regierungseinheiten erobert. Teile der Dschihadisten halten die Grenzübergänge nach Tadschikistan, Turkmenistan, zum Iran und nach Pakistan besetzt.

Es ist eine Lage entstanden, die aus verschiedenen Gründen weder Russland noch China oder Indien gefällt. 1000 afghanische Regierungssoldaten sind nach Kämpfen mit den Taliban ins benachbarte Tadschikistan geflohen. Die Regierung in Duschanbe befürchtet, dass es noch mehr werden könnten und sie ihre Grenze nicht verteidigen könne. Russland, das einen Militärstützpunkt in Tadschikistan unterhält, wäre in dem Fall als Verbündeter und Schutzmacht verpflichtet, militärisch einzugreifen. Eine Vorstellung, die in Moskau nach dem Trauma von 1979 bis 1989 wenig Gefallen findet. Der Kreml setzt deshalb auf Diplomatie. Vor Kurzem besuchten Taliban-Vertreter Moskau. Sie verlangten von der russischen Regierung, sich für die Aufhebung der 1988 verhängten Sanktionen – Einfrieren von Vermögenswerten, Waffenembargos und Reiseverbote – bei der UN einzusetzen.

China ist ebenfalls ein Land, das seit einigen Jahren mit den Taliban spricht. Der Grund ist einleuchtend. Chinesische Unternehmen haben in afghanische Minen und den Straßenbau sowie andere Infrastrukturprojekte investiert. Sie fürchten um ihre Investitionen. Hinzu kommt, dass die afghanische Regierung den Wachankorridor, einen schmalen Landstrich im Nordosten des Landes, zwischen der Grenze zu Tadschikistan und Pakistan sowie einer kurzen Strecke zwischen Afghanistan und China im Osten, aufgegeben hat. Für China ist das eine strategisch wichtige Gegend, die an die Region Xinjiang angrenzt. Es handelt sich um ein autonomes Gebiet im Nordwesten Chinas, in der ethnische Minderheiten, darunter die turksprachigen Uiguren, leben. Durch Xinjiang führte die alte Seidenstraße. Im Untergrund operiert dort die zentralasiatische Islamische Turkestan-Partei, die einen radikalen Islam vertritt.

Der chinesische Außenminister Wang Yi reiste jüngst in die drei asiatischen Staaten Turkmenistan, Tadschikistan und Usbekistan. Dort bekundete er, gemeinsame Kräfte gegen die drei Übel „Terrorismus, Separatismus und Extremismus“ bündeln zu wollen. Wang sagte finanzielle oder technische Hilfe bei der Grenzsicherung zu nach Chinas Motto: „Helfen, aber nicht einmischen“. Ob es China in Zukunft allerdings gelingen wird, seine Nicht-Einmischungs-Politik fortzusetzen, ist angesichts der Bedrohung an seinen Grenzen fraglich. Wie das online-Magazin „The Diplomat“ berichtet, zeigt China militärische Präsenz in Tadschikistan in nur 16 Kilometern Entfernung von der afghanischen Grenze.

Chinas Interesse an einer stabilen Lage in Afghanistan gilt der Sicherung seiner wirtschaftlichen Vorhaben. Im Rahmen des Projekts Neue Seidenstraße arbeitet das Reich der Mitte vertieft mit dem islamischen Pakistan zusammen. Eine der größten chinesischen Auslandsinvestitionen ist der China-Pakistan Economic Corridor mit einem Investitionsvolumen zwischen 46 und 65 Milliarden US-Dollar. Bei fortgesetzten Turbulenzen droht Afghanistan ein Sammelbecken für den radikalen Islam zu werden, der auch auf Pakistan übergreifen könnte. Indien, das ebenfalls in Afghanistan investiert, befürchtet, dass Flüchtlingsströme und reaktivierte Al-Kaida-Kämpfer ins Land kommen könnten.

Die zurückgekehrten Taliban nutzen die aktuelle Situation, um auf Werbetour zu gehen. Sowohl Russland als auch China verhandeln mit deren Vertretern. Der Taliban-Sprecher Suhail Shaheen zeigte sich selbstbewusst: „Wir haben China mehrmals besucht und haben gute Beziehungen zu den Chinesen. Wenn sie investieren wollen, garantieren wir natürlich für ihre Sicherheit. China ist ein freundliches Land, das wir für den Wiederaufbau und die Entwicklung Afghanistans willkommen heißen.“ So ist möglicherweise die Öffnung des afghanischen Marktes für zukünftige Investitionen gesichert. Eine Delegation der Taliban soll auch den Iran besucht haben.

20 Jahre „Internationaler Kampf gegen den Terrorismus“ haben dem kriegsgebeutelten Land Afghanistan wenig gebracht. Weder konnte eine Demokratie nach westlichem Vorbild etabliert werden noch gibt es eine funktionierende Regierung. Während in Kabul die westliche Lebensweise angenommen wurde, verharrten die Dörfer in ihren Traditionen, die von Warlords und Familienclans dominiert sind. Bei ihnen dürften die Taliban auf wenig Widerstand stoßen.

Unter Frauen und Kindern steigt derweil die Zahl der Heroin- und Opium-Abhängigen. Über die von Taliban besetzten Grenzen floriert der Drogenhandel, über den sie sich finanzieren. Viele Afghanen urteilen über die Amerikaner: „Sie brachten tausende Gräber und Millionen ungelöster Probleme.“


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Kommentare

Michael Holz am 28.07.21, 17:33 Uhr

Der Bericht von Manuela Rosenthal-Kappi ist zutreffen und gut zu lesen. Ich hatte diese Entwicklung schon vor Jahren vorausgesehen. Die Amis mit ihren Vasallen waren, wie die Briten oder Russen vorher, zum Scheitern verurteilt.
Noch besser als der Bericht, waren die Kommentaren von Schroeder und Herrmann. Ich würde sagen: Ins Schwarze getroffen!
Die Woche ist gerettet. Amen.

Tom Schroeder am 26.07.21, 17:47 Uhr

Vor einigen Tagen schrieb ich schon mal einen Kommentar, in dem ich das thematisierte im Zusammenhang mit Russland war das glaube ich. Nun sind wir bereits nach wenigen Tagen dort, wo ich uns erst binnen Jahresfrist gesehen habe: China fühlt sich mächtig genug, um in AFPAK (Afghanistan & Pakistan, lt. Armeesprech ist das kaum zu trennen, jedenfalls nicht an der offiziellen Grenze) zu intervenieren. Die afghanischen Soldaten laufen weg - untypisch für dieses Volk, was normalerweise recht angstfrei ist. USA würden im Falle des Konfliktes China/Taliban letzteren handliche Waffen, so etwa Stinger Nachfolger, andienen und die "Volksbefreiungsarmee" müsste im Hindukusch zu Fuß gehen - Helikopters sichern alleine die Überlegenheit - fatal, wie bereits Russland u. ISAF (?) feststellen mussten. Infanteriekrieg in den unzugänglichsten Bergen der Erde gegen den Kenner derselben. China kann das nur mit enormer Menpower versuchen, ähnlich wie damals in Korea. Zentralasien wird auf sehr lange Sicht, wenn Russland als Handlanger ausgedient hat, ohnehin in chinesische Hand geraten - die paar Leute in den flachen Steppengebieten Kasachstans usw. können das schlecht verteidigen und die neue Seidenstraße schafft ja auch neue Wege zur Truppenverlagerung nach Westen. Jetzt ärgert Nasarbajew-Nachfolger sich sicher insgeheim, trotz dem nach außen freundlich China zugewandten Gesicht , dass man die Atomwaffen abgegeben hat. Es könnte sich eine Islamistische Reaktion herausbilden, denn das Schicksal der Uiguren ist allen bekannt und sollte zur kompromisslosen Bekämpfung Chinas anregen. Der "moderate" Islam dort ist zwar Staatsdoktrin aber in der Not versammeln sich alle verständlicherweise hinter der grünen Fahne des Propheten. Pakistan ist ohnehin eher Taliban-Freund, versteckte doch der pak. Geheimdienst sogar bin Laden. Wenn China hier nicht ein Ablenkungsmanöver getreu dem alten chin. Strategem "Lärme im Westen und greife an im Osten" veranstaltet, um Taiwan und Vielleicht Teile Myanmars zu kassieren, steht diesem Teil der Welt noch eine schlimme Zukunft bevor. Warum hat man China nicht klein gehalten und denen das ganze westliche Know-How auf dem Silbertablett geliefert? Naiver Westen - so langsam werden ja einige wach!

Siegfried Hermann am 26.07.21, 08:48 Uhr

Die PAZ bringt es auf den Punkt!

China hat nicht nur handfeste rein ökonomische Interessen.
Neben ihrer zum indischen Ozean führenden "Seidenstraße" und mehr oder weniger direkt an der Straße von Hormus gelegenen militärischen pakistanischen Stützpunkt, können die das Golföl kontrollieren, genauso wie die vor Ewigkeiten geplante pipeline von Gas-und ölreichen Zentralasien, das der eigentliche Kriegsgrund gegen die Taliban waren, weil sie dagegen waren.
Drogen.
Da mischen noch ganz andere im Hintergrund mit. Deren Narcos sind auch gefürchtete warlords. Ob die sich das hochprofitable Geschäft von den Taliban einfach sooo abnehmen lassen?Unwahrscheinlich. Andererseits können beim dem Bäumchen-wechsel-dich-Spiel wieder ganz andere unerwartete Koalitionen entstehen. GRU und CIA pro warlords.
Und "Afghanen" gibt es auch nicht, das ist ein Sammelsurium von zahlreichen Stämmen mit 3 Hauptgruppen, wo nur Stammesangehörige untereinander loyal sind und bei Nutzen die Seiten wechseln und gegenseitig auf einander dreschen.
Die wichtigste chinesische Investition dürfte aber der "Eisenberg" sein, ein gigantischer Bergzug mit endlosen Erzlagerstätten wie Kiruna. Und danach lechzt die chinesische Wirtschaft geradezu, weil im Gegensatz zu anderen globalen Lagerstätten strategisch, als auch ökonomisch ideal gelegen.
Was den Nordzipfel angeht.
Dort waren schon zu Talibanzeiten immer die härtesten Gegner vertreten und wurden, auch von den Chinesen, großzügig mit Bruderhilfe bedacht. Sollte Kabul fallen, was alle annehmen, wird eben dieser Landstrich besetzt, basta. Selbst den
Amis wird vorerst egal sein und dann auf ein chinesischen waterloo setzen.
Für uns Deutschen am wichtigsten ist, den Laden mausedicht zumachen. Wien lässt 1000fach grüßen. Und. Egal was die Bundeshexe vor Wahlen verspricht.
Ansonsten
Es macht kein Sinn ein Land Frieden, individuelle Freiheit, vor allem Kultur bringen zu wollen, wenn die es in der überwältigten Mehrheit schroff ablehnt.
Jeder gestorbene Deutsche Soldat und Zivilist HIER (!), war einer zu viel. Jede investierte Mark/Euro sinnlos verballert.
Wenn selbst China, Indien und gar Pakistan keine von dieser Sorte "Flüchtlinge" aufnehmen will, warum zum Teufel sollen wir dann uns aber-Millionen Probleme aufhalsen???
Sollen die Chinesen einfach machen und sehen was sie davon haben! Nebenbei wird dann der "selbstlose Helfer" für die III. Welt entzaubert.
Besser kann das für uns mittelfristig nicht laufen und guuud is.
Und wenn diese bescheuerten Linken-Grünen rumkrakeelen. Bitte schön! Jeder kann freiwillig nach Kabul gehen und sein Glück versuchen. Je mehr von denen, um so besser. Und dann gleich mit Claudia-Fatima R. samt allen islamischen Aufbauhelfern voran.

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